CHRISTUS COUPIERT

MEL GIBSONS THE PASSION OF THE CHRIST
IM THEOLOGISCHEN RÜCKBLICK

von PD Dr. Joachim Valentin

Übersicht:

  1. Einleitung
  2. Männer und Frauen im Jesusfilm
  3. Die literarische Grundlage
  4. Undarstellbarkeit im Jesusfilm
  5. Authentizitätsprahlerei, Antijudaismus und die Notwendigkeit theologischer Reflexion

Kaum ein Jesusfilm der letzten Jahrzehnte, der nicht als skandalös empfunden worden wäre. Der Skandal haftet am Genre Jesusfilm wie Pech. Doch das Aufsehen, das THE PASSION OF THE CHRIST bereits ein Jahr vor seiner Präsentation und dann erneut bei seinem Kinostart pünktlich zur Passionszeit 2004 auslöste, darf – verbunden mit insgesamt unerwartet hohen Zuschauer-zahlen – epochal genannt werden. Neben bis dato ca. 50 Millionen Besuchern in den USA konnte der Film auch in Europa beachtliche Erfolge verbuchen: Italien verzeichnete 3,4 Millio-nen Eintritte, Großbritannien 2 Millionen, Frankreich 1,6 Millionen und Deutschland immerhin 800.000. Dazu kommen bisher weltweit 9 Millionen bereits in kürzester Zeit verkaufte Videos und DVDs. Auch wenn ein ‚Megaseller‘ wie HERR DER RINGE außerhalb der USA, wo beide etwa gleichauf liegen, dreieinhalb mal höhere Zahlen vorzuweisen hat, besticht DIE PASSION CHRISTI wegen relativ niedriger Herstellungs- und Vermarktungskosten von ca. 55 Millionen Dollar vor allem durch den erzielten Reinerlös von schätzungsweise 450 Millionen Dollar und weckt nun Spekulationen über neue christliche Großproduktionen aus Hollywood in den nächs-ten Jahren.

Doch wie kann ein katholisch inspiriertes Werk in den mehrheitlich protestantisch geprägten USA derart erfolgreich sein? Zumindest die prägnante Mariologie des Filmes scheint hier unbe-merkt geblieben oder in einem transkonfessionellen Antiliberalismus in Kauf genommen worden zu sein. Offenbar greift angesichts eines weichgespülten femininen Christusbildes der US-Amerikanischen Mainstream-Kirchen in Zeiten des Krieges und der Terrorgefahr eine gewisse Ermüdung um sich. Mel Gibsons Film erscheint so gerade indem er Elemente des für Kirchenbe-sucher ungewohnten Splatterkinos integriert und statt auf die Sanftheit auf die Heldenhaftigkeit  seines Protagonisten setzt als „ein Passionsspiel nach den Bedingungen, Bedürfnissen und Mög-lichkeiten unserer Gegenwart“ . Doch handelt es sich deshalb auch um einen gelungenen Jesus-Film? Dieser theologischen Frage will ich im folgenden unter besonderer Berücksichtigung von Mel Gibsons dramaturgischer Grundkonzeption, seiner literarischen Vorlage, seines Anspruchs auf ungebrochenen Authentizität sowie des mehrfach geäußerten Antijudaismusvorwurfs näher nachgehen.