<a name="anfang">1. Der Philipper-Hymnus: Leiden als Gehorsam
Im zweiten Kapitel des Briefes, den der Apostel Paulus an seine Gemeinde in Philippi schickt, findet sich ein interessanter Abschnitt über das Leiden Christi (Phil 2, 6-11; zum Text). Das für Paulus untypische Vokabular und die versförmige Struktur erweisen diesen Abschnitt als ein Zitat, als den Text eines Hymnus. Wenn der Philipperbrief gegen Mitte oder Ende der 50er Jahre des ersten Jahrhunderts entstanden ist, und der Hymnus entsprechend älter sein muss, so stammt er wohl aus den 40er Jahren. Er ist folglich nur wenige Jahre nach dem Tod Jesu (zu Beginn der 30er) verfasst worden und spiegelt daher das Denken der allerersten Christen über das Leiden Jesu wieder.
Inhaltlich fällt auf, dass der Hymnus deutlich zwischen Jesus und Gott unterscheidet. Die Macht Jesu ist abhängig von der Macht Gottes, denn Jesus wird nach seinem Leiden nicht aus eigener Kraft sondern von Gott erhöht (V.9). Auch kann der Hymnus von Jesus auch ohne seinen Hoheitstitel “Christus” (d.h. der “Gesalbte” = Messias) reden (V.10).
Vier Aspekte des Leidens stechen ins Auge: Erstens schildert der Hymnus die Menschwerdung und das damit verbundene Leiden Jesu als eine Selbsterniedrigung. Jesus stand zwar mit Gott auf der gleichen Stufe, doch dann verzichtete er auf seine Privilegien (V.6+8); er wird zum Menschen und so zu einem Knecht, bzw. krasser: zu einem Sklaven (V.7). Zweitens deutet der Philipper-Hymnus Jesu Leiden als Äußerung seines Gehorsams Gott gegenüber (V.8). Drittens kehrt sich dann die gedankliche Bewegungsrichtung um: Auf die Erniedrigung folgt Erhöhung. Weil Jesus gehorsam gewesen ist und sich selbst erniedrigt hat, erhöht Gott ihn anschließend wieder (V.9). Und viertens folgt darauf ein eschatologischer (d.h. das Ende der Zeit betreffender) Ausblick: Alle Menschen sollen sich eines Tages der Hoheit Jesu gewahr werden und ihn deshalb anbeten (V.10); die Ehre dafür gebührt eigentlich jedoch wiederum Gott (V.11).
Kurz und bündig: Das Leiden Jesu dient als Beweis seines Gehorsams gegen Gott. Dieser Gehorsam wiederum ermöglicht und veranlasst die gottgewirkte Erhöhung Jesu.
Denkanstoß: Muss Jesus sich seine Erhöhung gewissermaßen verdienen? Wendet Gott sich ihm nur deshalb zu, weil Jesus zuvor etwas dafür geleistet (nämlich gehorsam gelitten) hat?
Nils Krückemeier
Text: Die BibelBrief des Paulus an die Philipper, Kapitel 2, Verse 6-11:6 der [Jesus] in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein.7 Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch erfunden,8 erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.9 Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist,10 damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen,11 und jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.