<a name="anfang">2. Paulus: Torheit oder Weisheit?
Wie wichtig das Leiden Christi für Paulus ist, spiegelt sich darin, dass er seine Verkündigung kurz „das Wort vom Kreuz“ (1Kor 1,18; zum Text) nennen kann. Indem er den Gekreuzigten auch noch mit seinem Hoheitstitel „Christus“ (d.h. „der Gesalbte“) anredet (1Kor 1,23; zum Text), macht Paulus das Paradoxon vollkommen: Jemand kann doch nicht gleichzeitig von Gott erwählt sein und trotzdem schmachvoll am Kreuz sterben müssen! ... so scheint es.
In bezug auf diese Widersprüchlichkeit muss Paulus auch den Christen in Korinth Rede und Antwort stehen; dies tut er gleich zu Beginn seines Briefes an die Gemeinde dort (1Kor 1,18-31; zum Text). Dabei hat Paulus mit zweierlei Leserinnen und Lesern zu rechnen, nämlich einerseits mit Menschen, die aus der jüdisch beeinflussten Kultur stammen, und andererseits mit solchen, die aus einem griechisch beeinflussten Hintergrund kommen. Paulus entfaltet seine Argumentation anhand des gegensätzlichen Begriffspaares „Torheit“ und „Weisheit“.
Für die Juden stellt die Behauptung, der Christus sei gekreuzigt worden ein Ärgernis dar. Das griechische Wort, das Paulus benutzt, lautet „skandalon“. Laut der jüdischen Tradition muss der Messias ein mächtiger Herrscher sein, wohingegen ein Gekreuzigter als von Gott verworfen gilt. Indem Paulus etwas anderes behauptet, stellt er eine buchstäblich skandalöse These auf. In den Augen der griechisch geprägten Menschen ist die Predigt des Apostels einfach nur dumm; sie belächeln die Verkündigung des Paulus als töricht.
Dem hält Paulus entgegen: Gott muss sich nicht der menschlichen Logik anpassen! Gott ist groß genug, dass er die Freiheit besitzt, um das töricht Scheinende zu erwählen (V.27; zum Text). Aufgrund der göttlichen Souveränität kommt den Menschen durch den gekreuzigten Christus alles Gute zu, nämlich die Erlösung (V.30). Indem er sich auf diese Weise kurzerhand über alle menschliche Verstehenskraft hinwegsetzt, beweist Gott seine Größe, die das menschliche Hirn nie völlig erfassen kann. Wer dies erst erkannt hat, dem bleibt nichts mehr anderes übrig als Gott zu loben (V.29+31; zum Text).
Kurz und knackig: Ein gekreuzigter Christus scheint paradox, aber gerade durch ihn stellt Gott seine Größe unter Beweis. Für seine Größe wiederum gebührt Gott Lob.
Denkanstoß: Wenn Gott die menschliche Logik einfach übergeht, provoziert er dann nicht absichtlich die Ablehnung derer, die ihn verstehen möchten aber nicht können?
Nils Krückemeier
Text: Die Bibel, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 1, Verse 18-31:18 Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft.19 Denn es steht geschrieben: `Ich will die Weisheit der Weisen vernichten, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.20 Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortstreiter dieses Zeitalters? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?21 Denn weil ja in der Weisheit Gottes die Welt durch die Weisheit Gott nicht erkannte, hat es Gott wohlgefallen, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten.22 Denn während Juden Zeichen fordern und Griechen Weisheit suchen,23 predigen wir Christus als gekreuzigt, den Juden ein Ärgernis und den Nationen eine Torheit;24 den Berufenen selbst aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.25 Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen.26 Denn seht, eure Berufung, Brüder, daß es nicht viele Weise nah dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind;27 sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache.28 Und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichte mache,29 daß sich vor Gott kein Fleisch rühme.30 Aus ihm aber [kommt es, daß] ihr in Christus Jesus seid, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung;