3. Augustinus: Christi Leiden als Opfer

Die christlichen Denker der ersten Jahrhunderte werden oft als "Kirchenväter" bezeichnet. Einer der bekanntesten und einflussreichsten - wenn nicht der Bekannteste und Einflussreichste - unter ihnen trägt den Namen Augustinus. In seiner großen Schrift "vom Gottesstaat", die zwischen 413 und 426 entstanden ist, behandelt Augustinus das Leiden Christi unter der Perspektive der Opfertheologie.

Dabei kann Augustin sich auf gute biblische Tradition berufen, denn auch das Neue Testament deutet das Leiden Jesu Christi hier und da als ein Opfer (z.B. Röm 3,25 u. v.a. Hebr 9f) und greift damit auf die alttestamentliche Beschreibung des "großen Versöhnungstages" zurück, an dem einmal jährlich das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk Israel durch das Darbringen von Opfern ins Reine gebracht wurde (Lev 16).

Augustinus nun spricht von Christus als dem "Hohenpriester, der ja auch in seinem Leiden sich selbst in Knechtsgestalt für uns geopfert hat". Unter einem Opfer wiederum versteht er "jedes Werk, welches dazu beiträgt, dass wir in heiliger Gemeinschaft Gott anhangen, das also auf jenes höchste Gut ausgerichtet ist, durch welches allein wir wahrhaft glückselig werden können." Im Zentrum seines Interesses steht damit die Gemeinschaft zwischen Gott und den Glaubenden; diese ermöglicht Christus dadurch, dass er sich selbst opfert. Die Glaubenden werden dadurch aber auch selbst dazu aufgerufen, sich ihrerseits auf Gott hin auszurichten und ihr Leben als Opfer für Gott zu verstehen und zu gestalten.

Kurz und gut: Christi Leiden stellt ein Opfer dar, ohne welches kein Mensch die Gottesgemeinschaft erlangen kann.

Quelle: Aurelius Augustinus: De Civitate Dei (Vom Gottesstaat), 10,6. Z.B. hg. v. Wilhelm Thimme, Bd. 1. Zürich 1955, S.513-515

Denkanstoß: Ist Gott blutrünstig? Braucht es Gewalt, um Nähe zwischen Gott und Menschen herzustellen?

Nils Krückemeier