5. Thomas von Aquin: Leiden aus Liebe
In den Jahren 1266-68 verfasste Thomas von Aquin ein umfassendes theologisches Werk, die „Summa Theologica“, wobei der er sich in einem längeren Abschnitt auch zum Leiden Christi äußert. Thomas fragt hier insbesondere danach, in welcher Weise Christi Leiden etwas mit den Menschen zu tun hat.
Unter einer vierfachen Hinsicht kann Thomas das Leiden Christi betrachten: Als Verdienst, als Genugtuung, als Opfer und als Loskauf. Die Gemeinsamkeit dieser vier verschiedenen Bilder besteht darin, dass jeweils Christus das vollbringt, was die Menschen aus eigenen Kräften nicht tun können: Christus durchtrennt den Zusammenhang zwischen den Menschen und ihrer Sünde, so dass sie den unheilvollen Folgen der Sünde entweichen können. Christus besiegt die Sünde zugunsten der Menschen. Infolge dessen können Menschen das Heil erlangen; sie können zu Gott kommen.
In seinen Ausführungen betont Thomas von Aquin fortwährend die Liebe des Leidenden Christus. Aus Liebe leidet Christus, um dadurch etwas Gutes für die Menschen zu bewirken. Das Ausmaß des Leidens Christi nimmt dabei für Thomas beinahe den Stellenwert eines Liebesbeweises ein. Christus beseitigt die Sünde der Menschen „wegen der großen Liebe, mit der er litt; ... wegen der Allseitigkeit des Leidens und der Größe des angenommenen Schmerzes.“
Kurzum: Durch sein Leiden überwindet Christus die Sünde der Menschen; dieser Vorgang lässt sich in unterschiedlichen Metaphern beschreiben. Die Motivation für die Überwindung der Sünde bildet je die Liebe Christi, die sich in der Tiefe seines Leidens zeigt.
Quelle: Thomas von Aquin: Summa Theologica IIIa, q.48. Z.B. in: Deutsche Thomas-Ausgabe, Bd.28. Heidelberg 1956, S.82-101
Denkanstoß: Taugt das Ausmaß des Leidens letztendlich als ein Gradmesser von Liebe? Lassen Gefühle wie Leiden und Liebe sich überhaupt messen?
Nils Krückemeier